Die verborgene Bedeutung von Arbeit
Arbeit ist für viele Menschen weit mehr als nur ein Mittel zum Geldverdienen. Sie gibt Struktur, eigene Identifikation und soziale Bindung. Arbeit verleiht das Gefühl, gebraucht zu werden und einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Mit dem Ruhestand kann das plötzliche Fehlen dieser Aufgabe zu einem Identitätsverlust führen. Wie oft höre ich Sätze wie: „Was mache ich jetzt überhaupt mit meiner Zeit?“ oder „Wer bin ich denn jetzt?“.
Selbstverwirklichung als Reise zu sich selbst
Somit bietet sich nun eine einzigartige Gelegenheit, sich mit einer der grundlegendsten Fragen des Lebens auseinanderzusetzen: Wer bin ich, und was will ich noch erreichen? Selbstverwirklichung, ein Konzept, das sowohl in der Philosophie als auch in der Psychologie und Spiritualität verankert ist, spielt dabei eine zentrale Rolle. Doch was genau bedeutet Selbstverwirklichung, und wie lässt sie sich im Ruhestand erreichen?


Was genau ist Selbstverwirklichung?
Es beschreibt den Prozess, das eigene Potenzial voll auszuschöpfen und ein authentisches, erfülltes Leben zu führen. Der Psychologe Abraham Maslow stellte die Selbstverwirklichung an die Spitze seiner Bedürfnispyramide und bezeichnete sie als das Streben nach persönlichem Wachstum und Sinn. Es geht darum, die eigenen Stärken, Werte und Träume zu erkennen und sie in Einklang mit dem eigenen Leben zu bringen.
Boomer hin oder her, wenn berufliche Verpflichtungen wegfallen, bietet sich die perfekte Gelegenheit, sich diesem inneren Prozess zu widmen. Doch Selbstverwirklichung bedeutet für jeden Menschen etwas anderes: Für manche ist es das Streben nach Kreativität, für andere die Suche nach spiritueller Erleuchtung oder das Engagement in der Familie oder für die Gemeinschaft.
Spirituelle und philosophische Aspekte der Selbstverwirklichung
Selbstverwirklichung hat tiefgehende spirituelle und philosophische Dimensionen. Viele Denkschulen und Religionen befassen sich mit der Frage, wie der Mensch zu seinem wahren Selbst findet:

Buddhismus
Hier geht es um die Überwindung des Egos und die Erkenntnis, dass das wahre Selbst in der Verbundenheit mit allen Dingen liegt.

Existentialismus
Philosophen wie Jean-Paul Sartre betonen, dass der Mensch die Freiheit hat, sein Leben selbst zu gestalten. Sie sehen die Selbstverwirklichung als Ausdruck dieser Freiheit.

Hinduismus
Das Konzept des „Dharma“ verweist darauf, dass jeder Mensch eine individuelle Lebensaufgabe hat, deren Erfüllung zur Selbstverwirklichung führt.
Ist es gesund, sich Selbstverwirklichung zu wünschen?
Ja klar, das Streben danach ist grundsätzlich gesund, da es dem Leben Struktur, Sinn und Freude geben kann. Menschen, die sich persönlichen Zielen widmen, sind oft zufriedener und psychisch stabiler. Und die Auseinandersetzung mit solchen Ansätzen kann helfen, eine tiefere Perspektive auf das eigene Leben zu gewinnen.
Allerdings kann das Streben nach Selbstverwirklichung auch ungesunde Züge annehmen, wenn es zu perfektionistisch wird oder das Gefühl entsteht, dass man nicht „gut genug“ ist. Wichtig ist, sich selbst mit Nachsicht und Geduld zu begegnen.
Deshalb ein Appell: Probieren geht immer noch über studieren. Es muss nicht sofort die perfekte Lösung her! Du hast jetzt Zeit, zu testen und auszuprobieren. Ist das nicht großartig?
Wie verwirkliche ich mein Selbst?
Klasse, wenn du darüber nachdenkst. Der Weg zur Selbstverwirklichung ist individuell, doch einige Schritte können hilfreich sein:
- Reflexion: Frage dich, was dir wirklich wichtig ist. Was bereitet dir Freude? Was möchtest du hinterlassen?
- Ziele setzen: Definiere klare, erreichbare Ziele, die deinen Werten entsprechen.
- Aktiv werden: Starte kleine Schritte, um deine Träume zu verwirklichen.
- Offenheit bewahren: Sei bereit, Neues auszuprobieren und dich auf unvorhergesehene Wege einzulassen.
- Achtsamkeit üben: Lebe im Moment und genieße die kleinen Freuden des Lebens.
Weisheit als persönliches Ziel
Und: es gibt eine weitere wundervolle und wertvolle Möglichkeit, seine Zeit im Ruhestand zu verbringen. Zumindest einen Teil davon. Darüber habe ich noch nie gelesen:
Man wundert sich doch, wie viele ältere Politiker und andere Menschen in der Öffentlichkeit, anscheinend nie über sich nachdenken und reflektieren. Und das, obwohl sie ganze Gesellschaften beeinflussen. Dort bleibt Weisheit, Empathie, Mitgefühl und soziales Engagement häufig ganz auf der Strecke.
Was ist weise? Wie sieht dein weises Ich aus? Was macht dich für andere zu einem Menschen, den man fragt und dessen Wissen geschätzt wird? Diese Art der Auseinandersetzung mit sich selbst ist etwas ganz Besonderes. Im Ruhestand bietet die freie Zeit dir die Möglichkeit, über das eigene Leben zu reflektieren, aus der Vergangenheit zu lernen und diese Erkenntnisse auf sinnvolle Weise weiterzugeben. Bist du so mutig, um dich das zu fragen?

Ist es gesund, so sehr an mich zu denken und mein Ego zu füttern?
Das Ego, oft als das Bewusstsein des „Ich“ verstanden, spielt eine ambivalente Rolle in der Selbstverwirklichung. In meinem Buch Von der Kunst, nichts zu wollen, zitiere ich den amerikanischen Autor Al Duncan, der wiederum in seinem Buch Becoming one with the universe schreibt:
Bei allem, was wir tun, geht es um uns. Das klingt egoistisch. Im Sinne der Wortbedeutung ist es das, denn wir sind konditioniert worden, das Wort Ego so zu verstehen. Alle Handlungen, die wir im Leben unternehmen, sind (aber) in Wahrheit eine Form des Selbstausdrucks. Das Bedürfnis nach einer Erfahrung, weil wir uns auf einer Reise der Weiterentwicklung befinden und es gut ist, das ganze Leben über freudig angeregt zu sein. Wenn wir uns dafür entscheiden, ein Baby zu bekommen, tun wir das nicht für das Baby, die Großeltern oder unseren Partner. (…) Es ist eine Entscheidung, die wir in erster Linie für uns selbst treffen, weil sie uns glücklich macht und die Energie der Menschen um uns herum beeinflusst. (Eigene Übersetzung)
Duncan ergänzt:
Unterm Strich ist es eine selbstlose Tat, das zu tun, was wir im Leben für uns selbst tun wollen. Wenn es weder anderen noch uns selbst schadet, ist es gesund.
Ein gesundes Ego ist deshalb ein Ego im Gleichgewicht: Es ermöglicht uns, unsere Stärken zu erkennen, ohne arrogant zu werden, und unsere Schwächen anzunehmen, ohne uns minderwertig zu fühlen. Achtsamkeit und Selbstreflexion helfen dabei, das Ego zu integrieren, anstatt es zu unterdrücken.
Selbstverwirklichung ist also eine Chance
Klar ist: der Job, der Arbeitsplatz ist also bei weitem nicht Ich. Der Ruhestand ist eine große Chance, sich selbst besser kennenzulernen. Selbstverwirklichung ist kein Ziel, das man einmal erreicht, sondern ein ständiger Prozess. Es geht darum, das eigene Potenzial zu entdecken, Sinn zu finden und mit sich selbst im Einklang zu sein. Ob durch kreatives Schaffen, spirituelle Praxis oder soziale Verbindungen – der Weg zur Selbstverwirklichung ist so individuell wie du selbst.
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Achtsam in den Ruhestand
im Austausch mit anderen Boomern, machen wir uns gemeinsam auf eine Reise, die zu deinem ganz persönlichen Plan für den kommenden Lebensabschnitt führt.

Andreas Peters, Jahrgang 1965, waschechter Hamburger, Vater, vierfacher Unternehmensgründer mit dem Schwerpunkt IT aber auch New Work. Zweifacher Buchautor, Fotograf und auch Maler mit Ausstellungen. Ehrenamtliche Tätigkeit für die Handelskammer Hamburg in Schulen. Mehrfacher Weltreisender.
(…) wobei die Welt ja stets größer wird, je länger man sie bereist. Meine Jobs gegen Neugierde und Erfahrung einzutauschen, habe ich aber niemals bereut.